Andreas Vitásek
39,2° - Ein Fiebermonolog
Vitásek hat wieder was zugesagt. Er soll beim Internationalen Drogenkongress einen zum Thema passenden Kurzauftritt absolvieren. Der Termin rückt immer näher und keine Idee für eine Nummer ist in Sicht. Die Familie räumt das Feld, dem kreativen Schub stünde nichts mehr im Weg, wenn da nicht diese leichten Kopfschmerzen und die erhöhte Temperatur wären.
Von Grippeviren gebeutelt durchforstet Vitásek mit detailreicher Kenntnis die Beipackzettel seiner Medikamentensammlung, vermisst die guten alten Quecksilber-Thermometer, die man noch „raufschütteln“ konnte und lässt seinem grundlegenden Misstrauen gegenüber Ärzten freien Lauf. Im fieberheißen Kopf vermischen sich die Kindheit in Favoriten mit den Anforderungen moderner Vaterschaft, verlassen die Anekdoten alle herkömmlichen Grenzen von Zeit und Raum: so schwappt ein Einbrecherduo der 1970er-Jahre über in den Kremser Supermarktüberfall oder vermischt sich Goethes Erlkönig mit den Missbrauchsfällen der Kirche. Und auch der Mops, liebster Vierbeiner von allen, kommt zu Wort.
All das meistert Vitásek mit Bravour, kommt dabei vom Hundertsten ins Tausende, biegt geschickt zurück zum Hundertsten, legt als Pirouette eine kleine Tagesaktualität ein, lächelt verschmitzt und redet weiter. Und der Tod, die kleine blasse Handpuppe, feiert Auferstehung - im Hawaii-Hemd, eben zurück aus Haiti. Denn selbst der Tod braucht hin und wieder Urlaub.